Was ist eigentlich ein steiles Sprunggelenk?

Beim Sprunggelenkswinkel bezieht man sich auf den nach vorne zeigenden Öffnungswinkel des Tarsalgelenks, gebildet von Tibia und Röhrbein. Ist dieser Winkel sehr groß, das Sprunggelenk also sehr gestreckt, erscheint das Hinterbein sehr gerade und gestreckt. Das ist ein steiles Sprunggelenk.

Dieses Pony hat generell eine eher steile Gliedmaßen-Stellung. Sprunggelenk und Knie sind dennoch als etwas zu gestreckt zu beurteilen.

Die Winkelung des Sprunggelenks muss natürlich immer auf das jeweilige Pferd und sein Exterieur bezogen werden. So finde ich bei Missouri Foxtrottern tendenziell stärker gewinkelte Sprunggelenke, während Friesen meist sehr gerade Hinterbeine haben.
Generell gilt aber, dass ein Sprunggelenk nicht zu steil sein und, noch wichtiger, sich sein Winkel im Laufe der Zeit nicht signifikant vergrößern sollte.

Ist ein steiles Sprunggelenk schlimm?

Das Sprunggelenk ist physiologisch dafür ausgelegt, den Schub der Hinterhand vom Boden auf das Becken umzulenken – im Gegensatz zum Vorderfußwurzelgelenk, welches durch seinen Aufbau hervorragend vertikale Kräfte aufnehmen und verteilen kann.
Ist das Sprunggelenk sehr steil, sind seine Knöchelchen vermehrt vertikalen Kräften ausgesetzt; dass Gelenk verliert seine Federfunktion und ist vermehrt Stößen ausgesetzt. Die Knöchelchen bekommen dadurch unphysiologischen Druck. Auf Dauer und bei entsprechender Stärke kann dies Schäden bis zu Arthrose verursachen.

Warum ist ein Sprunggelenk zu steil?

Häufig entsteht ein steiles Sprunggelenk, wenn die Ischiokrurale Muskulatur oder ‚Hosen‘, d.h. Bizeps, Semitendinosus und Semimembranosus, unter zu starker Spannung steht.

Die Ischiokrurale Muskulatur

Diese Muskeln ziehen von Kreuz- und Sitzbein ans Knie und im Falle von Bizeps und Semitendinosus bis hinunter ans Sprunggelenk. Damit haben die Hosen großen Einfluß auf die Winkelung der dazwischenliegenden Gelenke, v.a., Iliosakralgelenk, Knie und eben Sprunggelenk.
Bei belastetem Bein streckt die Ischiokrurale Muskulatur Knie und Sprunggelenk – über den Spannsägemechanismus überträgt sich eine Streckung des Knies direkt auf das Sprunggelenk – und stabilisiert Kreuzbein und Becken grob gesprochen nach hinten-unten; genauer in Kontranutation und Rotation posterior.
In der Bewegung geben die Hosen den wesentlichen Schub in der kranialen Stemmphase; d.h. sie schieben den Körper vorwärts, sobald das Hinterbein nach dem Vorführen den Boden berührt.

 

Bei diesem Vollblut sind Bizeps und Semitendinosus  hervorragend zu sehen. Seine Sprunggelenkswinkel passen zu ihm; sein Sprunggelenk ist nicht zu steil.

Bei diesem Vollblut sind Bizeps (gelbe Pfeile) und Semitendinosus (grüne Pfeile) hervorragend zu sehen. Seine Sprunggelenkswinkel passen zu ihm.

Sind die Hosen verspannt oder verkürzt, ziehen sie Knie und Sprunggelenk übermäßig in Streckung, das Sprunggelenk wird steil.

Kompensation fehlender Rumpfstabilität

Ursache für solche Verspannungen sind oft zu schwache Bauchmuskeln, Verdauungsprobleme oder ein zu schwerer Reiter. Situationen also, in denen das Pferd Rumpf und Wirbelsäule nur ungenügend mit der Bauchmuskulatur stabilisieren kann. Um den fehlenden Halt auszugleichen, tritt das Pferd vermehrt unter seinen Schwerpunkt. Es stabilisiert mit der Ischiokruralen Muskulatur Kreuzbein und Becken und fortlaufend mit der Lendenmuskulatur seinen Rücken.

Für dieses Pferd wäre entsprechend seiner Muskel- und Faszienspannung eine deutlich stärkere Winkelung des Sprunggelenks und eine weniger abgeschlagene Kruppe physiologisch. Mangelnde Bauchmuskulatur und Gewichtsprobleme sowie eine häufig zu lange Zehe (auf dem Bild gerade bearbeitet) haben hier zu einer Verkürzung der Ischiokruralen Muskulatur und einem steilen Sprunggelenk beigetragen.

Für dieses Pferd wäre entsprechend seiner Muskel- und Faszienspannung eine deutlich stärkere Winkelung des Sprunggelenks und eine weniger abgeschlagene Kruppe physiologisch. Mangelnde Bauchmuskulatur und Gewichtsprobleme sowie eine häufig zu lange Zehe (auf dem Bild gerade bearbeitet) haben hier zu einer Verkürzung der Ischiokruralen Muskulatur und einem steilen Sprunggelenk beigetragen.

Zu starke Versammlung

Ein weiterer häufiger Grund ist das Reiten oder Arbeiten in einer Versammlung, die für das Pferd muskulär (noch) nicht leistbar ist.
In der Versammlung muss das Pferd sein Becken und Kreuzbein kippen und mit der Hinterhand vermehrt nach vorne treten und tragen – volle Arbeit für die Hosen!
Wird diese Haltung zu lange oder zu stark gefordert, verspannt und verkürzt die Muskulatur.

Falsche Hufbearbeitung

Schließlich kann auch falsche Hufbearbeitung die Winkelung des Sprunggelenks negativ beeinflussen. Sind bspw. die Zehen der Hinterhand zu lang, erhöht sich einerseits der Zug auf die Beugesehnen, von denen insbesondere die Oberflächliche als Teil der Spannsägenkonstruktion eine streckende Wirkung auf das Sprunggelenk hat. Andererseits – und gravierender – müssen die Hosen permanent das aus dem Lot gebrachte Bein in Streckung stabilisieren. Für eine solche Dauerhaltearbeit nicht gemacht, verspannen die Hosen auch hier.

…und vieles mehr

Neben den genannten Gründen gibt es sicher noch weitere, individuelle Gründe für ein steiles Sprunggelenk. Friesen bspw. sind durch ihre hohe Halsaufrichtung dafür prädestiniert, das Becken zur Stabilisierung der WS abzukippen und dadurch eine ungünstige Winkelung der Hinterhand zu entwickeln.

Ein steiles Sprunggelenk – Vorbeugung und Hilfe

Es gibt viele einfache Maßnahmen, mit denen Ihr die Winkelung der Hinterhand pflegen und erhalten könnt.

Hufbearbeitung

Ganz wichtig ist eine regelmäßige, korrekte Hufbearbeitung, die es dem Pferd ermöglicht, entspannt und im Gleichgewicht zu stehen. Das gilt natürlich auch für die Vorderhand!

Training

Im Training immer wieder zwischen versammelnden und lösenden Übungen abwechseln. Versammelnde und kräftezehrende Übungen langsam und vorsichtig aufbauen, weniger ist hier definitv mehr. Immer wieder Koordinationsübungen für die Hinterhand einbauen, wie gezielt über Reifen steigen, auf Target-Teppich steigen oder im Wald spazieren gehen.

Tapes gegen ein steiles Sprunggelenk

Eine tolle Wirkung haben auch Tapes, welche gezielt die Sprunggelenksbeuger ansprechen.

Massage gegen ein steiles Sprunggelenk

Nach einem anstrengenden Training – oder auch einfach so 🙂 – freuen sich die meisten Pferde sehr über eine Massage der Hosen: einfach ausstreichen, vorsichtig drücken und schütteln, vertraut Euren Händen und der Reaktion Eures Pferdes!

Osteopathische Behandlung

Ist das Sprunggelenk bereits steil oder kommen Euch die Hosen sehr verspannt vor, ist es sinnvoll, sich kompetente Unterstützung zu suchen. Ein gut ausgebildeter Osteopath oder Physiotherapeut hilft Euch bei der Ursachenforschung und Eurem Pferd mit geeigneten osteopathischen oder anderen therapeutischen Techniken.


Bist Du Dir unsicher, ob Dein Pferd ein steiles Sprunggelenk hat? Wünscht Du Dir Unterstützung, um ein steiles Sprunggelenk zu behandeln und das Training angemessen zu gestalten? Ich helfe Dir gerne weiter. 

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