Was sind Gallen und wie kann ich meinem Pferd helfen?

Diese Beulen an den Beinen - Gallen

Ihr habt sicher schon viel Pferde gesehen, welche im Bereich der Sehnen, knapp oberhalb des Fesselgelenks, mehr oder weniger große ‚Beulen‘ oder Schwellungen haben – Gallen. Diese Beulen sind Schwellungen der Fesselbeugensehnenscheide. Sie erzählen, dass die Beugesehnen oder ihre Sehnenscheide zumindest einmal deutlich überlastet wurde (was nicht heißt, dass jemand ‚Schuld‘ ist).

Was ist eine Galle?

Allgemein bezeichnet man als Galle eine vermehrt gefüllte Sehnenscheide, Gelenkkapsel oder eines Schleimbeutels aufgrund einer akuten oder vergangenen Entzündung.

Beim Pferd sind Gallen der Fesselbeugensehnenscheide häufig; oft seht Ihr  aber auch Gallen an den Fesselgelenken und den Sprunggelenken. Je nachdem, welche Sehnenscheide oder welches Gelenk betroffen ist, spricht man von Windgallen, Kreuzgallen, Eiergallen, Kurbengallen, Piephacken und Hasenhacken. 

Beim Menschen sind auch die Beugesehnen oft betroffen, allerdings nicht am Fessel-, sondern am Karpal-, sprich Handgelenk. Jeder, der einmal einige Stunden durchgetippt hat, weiß, welche Stelle ich meine. Andere typische Stellen sind der Tennisellenbogen, Golferarm etc.

Allen Namen gemein und unabhängig von der Tierart ist: Die Schwellungen zeigen die chronische Folge einer Entzündung einer Sehnenscheide, Gelenkkapsel oder eines Schleimbeutels. 

 

Was ist eine Sehnenscheide?

Eine Sehnenscheide schützt und führt eine Sehne immer dort, wo sie dicht und unter Spannung über ein Gelenk verläuft. Durch die großen Kräfte, die eine Sehne überträgt, entstehen bei ihrem Verlauf über ein Gelenk – bspw. dem Fesselgelenk – eine erhebliche Reibung und ein starker Druck auf den Knochen. Ungeschützt würden dadurch sowohl der Knochen als auch die Sehne selbst Schaden nehmen. Eine Sehnenscheide verhindert dies, indem sie wie eine flexible, gleitfähige Hülle die Reibung zwischen Knochen und Sehne minimiert.
Im Bereich der Beugeseite eines Gelenks, bspw. dem Karpalgelenk, würde die Sehne ohne die Führung einer Sehnenscheide hingegen einfach ‚schlackern‘. Die Sehnenscheide fixiert die Sehne zusammen mit Haltebändern an Ort und Stelle und schützt die Sehne auch davor, eingequetscht zu werden. 

Wie ist eine Sehnenscheide aufgebaut?

Eine Sehnenscheide hat einen ähnlichen Aufbau wie eine Gelenkkapsel. Außen hat sie eine feste Hülle, das Stratum fibrosum. Innen, zur Sehne hin, liegt wie ein doppeltes Tuch ein weiches, lockeres Gewebe, das Stratum synovialis. Die äußere Lage dieses ‚Tuchs‘, das parietale Blatt, kleidet die feste Hülle, das Stratum fibrosum,  von innen aus. Die innere Lage, das viszerales Blatt, umhüllt direkt die Sehne. Die beiden Blätter sind gegeneinander verschiebbar und der zwischen ihnen liegende Raum ist mit Synovia gefüllt. Die Synovia ist eine zähe Flüssigkeit, welche einerseits ein reibungsloses Verschieben der beiden Blätter gegeneinander ermöglicht, andererseits hat sie stoßdämpfende Wirkung. 

Was passiert bei einer Entzündung?

Wird die Sehnenscheide überlastet, durch ein einmaliges Trauma oder Überbelastung, entzündet sich entweder das Stratum synovialis direkt oder die Sehne selbst erfährt Mikrotraumen. Fasern reißen, Gewebe wird zerstört. Durch die so entstehende Entzündung und Abbauprodukte verändert sich die Konsistenz der Synovialflüssigkeit und ihre schmierende und stoßdämpfende Wirkung verringert sich. Durch die Entzündung kommt außerdem mehr Flüssigkeit als üblich in die Sehnenscheide. Sie schwillt an und durch den begrenzten Raum gerät das Gewebe zusätzlich unter Druck. Diese Schwellung ist das, was wir als Gallen sehen. Besteht die Schwellung über eine längere Zeit oder wird die Entzündung chronisch, passt sich die Sehnenscheide an und sackt aus. Deshalb sind Gallen auch nach Abheilen der Entzündung noch sichtbar. 

Ähnlich ist der Hergang bei Gelenks- und Schleimbeutelgallen. 

Was könnt Ihr bei Gallen tun?

...im akuten Fall

Je früher Ihr eine Entzündung im Bereich der Sehnen entdeckt, desto besser könnt Ihr in der Heilung unterstützen. Deshalb ist es sinnvoll, die Beine Eures Pferdes beim Putzen immer einmal mit der Hand abstreicht, dann bemerkt Ihr eine Veränderung – Wärme, Schwellung – sehr rasch. Hat Euer Pferd akut eine Galle entwickelt, solltet Ihr abklären, ob, und wenn ja, wie stark die Sehne verletzt ist. Ist sie die Ursache der Schwellung oder ist ‚nur‘ die Sehnenscheide durch eine Reizung angeschwollen? Euer Tierarzt wird Euch dabei helfen und entsprechend behandeln. Ihr könnt zusätzlich in den ersten beiden Tagen durch vorsichtiges Kühlen und Wickel mit Topfen oder Essigsaurer Tonerde unterstützen. Nach ein, zwei Tagen, wenn das Bein nicht mehr akut warm ist, solltet Ihr das Kühlen einstellen, denn dann benötigt da Gewebe zumindest Umgebungstemperatur, um den verletzten Bereich gut mit Blut zu versorgen. Die Wickel könnt Ihr länger anwenden, achtet aber immer darauf, ob es die Haut Eures Pferdes verträgt. 

Je früher und effektiver Ihr Euch um eine gute Heilung kümmert, desto kleiner ist die Gefahr, dass eine Galle zurückbleibt. 

...im chronischen Fall

In den meisten Fällen bringen die Pferde die Gallen aber schon mit oder entwickeln sie langsam und schleichend durch unpassende Hufstellung oder latente Überbelastung durch unpassenden Boden, zu starkes Training, o.ä. Dann habt Ihr nicht plötzlich eine akute Entzündung, sondern einen chronischen Prozess, der die Sehnenscheide anschwellen lässt. 

In diesem Fall gibt es zwei Dinge zu tun: Ursache finden und abstellen und zur Heilung beitragen. 

Zur Ursachenforschung holt Ihr Euch am besten externe Hilfe; fragt einen zweiten Hufbearbeiter um seine Meinung, hinterfragt Euer Training, schaut Euch den Boden an, auf dem Euer Pferd lebt, lasst einen guten Osteopathen Euer Pferd anschauen – und lest Euch selbst gutes Wissen an. Wenn Ihr so die äußeren Umstände optimiert, kann die Sehnenscheide zur Ruhe kommen und die Galle wird zumindest nicht größer. 

Die meisten lassen es damit aber – zum Glück! – nicht auf sich beruhen, sie möchten, die Galle zumindest noch etwas kleiner und weicher bekommen. Dabei geht es uns gar nicht um die Optik, sondern um den Druck in der Sehnenscheide. Je mehr Flüssigkeit in der Sehnenscheide, desto höher auch der Druck und desto größer die Gefahr einer neuerlichen Reizung. Viele Gallen sind auch sehr fest; ein Hinweis, dass das Gewebe sich schon verhärtet hat, um dem Druck und der Belastung standzuhalten. 

Um das Gewebe wieder elastisch und flexibel zu machen und die Flüssigkeitsansammlung zu verteilen, finde ich persönlich Blutegel, Lasertherapie und sanftes Abstreichen sehr erfolgreich. 

Blutegel helfen sowohl bei frischen Sehnenverletzungen als auch bei alten Gallen. Durch ihren Speichel hemmen die Egel die Entzündung und fördern die Durchblutung. Wer die Egel dafür nicht beanspruchen möchte, kann auch eine Salbe mit ihrem Speichelstoff verwenden. 

Auch Lasertherapie erhöht die Durchblutung, löst Verklebungen im Gewebe und bringt ordnende Energie in den entzündeten Bereich. Sie hilft wie die Egel in den meisten Fällen wunderbar, die Gallen etwas kleiner und weicher werden zu lassen. 

Eine tolle Hilfe, die Ihr jederzeit und ohne Hilfe selbst anwenden könnt, ist sanftes Abstreichen und Beruhigen der Sehnenscheide. Indem Ihr sanft die Haut über der Sehnenscheide verschiebt, sie abstreicht und einfach mal die Hand dort ruhen lasst, entspannt Ihr die darunter liegenden Strukturen und aktiviert die Heilungskräfte des Körpers. Beobachtet einmal das Fell und die Haut, bevor Ihr das macht und danach. Mit einiger Übung werdet Ihr feststellen, dass Fell und Haut nach Eurer Zuwendung viel weicher und geschmeidiger aussehen. Und das setzt sich nach innen, in die Sehnenscheide und zur Sehne fort.

 

Wenn Ihr Fragen habt oder Eurem Pferd durch eine Behandlung mit seinen Gallen helfen möchtet, meldet Euch gerne! 

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