Über die Wut, den Frust und die Pferde

Unsere Pferde machen uns unglaublich glücklich – und oft unglaublich wütend. Wir lieben sie, pflegen sie, tun alles für sie – und gehen ihnen trotzdem oft  verbal oder sogar körperlich an den Kragen. 

Warum? Ich glaube, fast immer aus Hilflosigkeit.

Hilflosigkeit, wenn unser Pferd zu einem Grasbüschel zieht und unsere Präsenz einfach nicht ausreicht, es daran zu hindern. 

Hilflosigkeit, wenn unser Pferd wieder an der Hofausfahrt stehenbleibt und wir es einfach nicht schaffen, ihm die Sicherheit zu vermitteln, mit uns alleine ins Unbekannte zu gehen.

Hilflosigkeit, wenn unser Pferd sich nicht biegt und wir es einfach nicht schaffen, es so zu unterstützen, dass es es kann.

All diese Situationen geben uns das Gefühl ‚Du bist nicht gut genug. Du kannst es nicht. Du schaffst es nicht.‘ 

Und damit sind wir plötzlich nicht mehr auf dem Reitplatz oder dem Waldweg, sondern tief in unangenehmen Erinnerungen an Scham und Versagen. Wir fühlen uns gedemütigt, unfähig und wertlos. Wir haben Angst, zu scheitern und zu versagen. Angst vor dem Urteil der anderen und noch viel mehr vor unserem eigenen.  

Und mit der Angst kommt die Wut. 

Wut betäubt die Angst und gaukelt Stärke vor. Wut lenkt von Selbstvorwürfen und Zweifeln ab.

Eigentlich sind wir in diesen Situationen wütend auf uns selber. Wütend, dass wir es nicht besser können, nicht geschickter oder klüger, schneller oder stärker sind. Wütend, dass wir nicht können, was wir glauben können zu müssen, und wütend, dass andere Zeuge unseres vermeintlichen Scheiterns werden. 

Aber wütend auf uns selber zu sein, ist kaum auszuhalten. Wut ist voller Energie und die will, muss, wohin, bevorzugt nach außen. Und dort wartet ja auch schon geduldig: unser Pferd. Schließlich hat es uns in diese missliche Lage gebracht. Es reißt uns wie eine Handpuppe von Grasbüschel zu Grasbüschel, bleibt einfach stehen und ignoriert unseren Wunsch nach einem schönen Ausritt und es biegt sich einfach nicht, obwohl wir es doch so deutlich auffordern. 

Erleichtert um dieses willkommene Ventil, handeln wir dann oft schneller als uns lieb ist. Wir fühlen uns hilflos und wütend, das Pferd ist als Schuldiger erkannt und schon schreien oder reißen wir an Strick und setzen uns mit ihm, der Gerte oder der Trense einmal sehr deutlich durch. Einmal, zweimal, alles zusammen, je nachdem wie viel Wut da in uns ist. 

Sobald die Wut da ist, wird es häßlich.

Und danach? Nach dem Wutrausch kommt der Kater. Ist die Wut verraucht, kommen in ihrem Gefolge unvermeidlich Scham und Schuld. Wir realisieren, wie wir die Fassung verloren und unsere Stärke als Mensch über das Tier ausgespielt haben. Wir sind entsetzt über unsere Aggressivität und Zerstörungswut. Wir wollen so nicht sein. 

Vielleicht versuchen wir, unser schlechtes Gewissen mit einer besonders großen Portion Futter oder Streicheleinheiten wieder gut zu machen. Aber in uns nagt das Gefühlt, ungerecht und maßlos gewesen zu sein. Wir haben Angst, dass es wieder passiert. Schieben wir diese unangenehmen Gefühle jetzt einfach weg, begeben wir uns in einen Teufelskreis. In der nächsten ähnlichen Situation wird zu der genannten Hilflosigkeit noch die Angst vor einem erneuten Kontrollverlust und vor dem schlechten Gewissen kommen. Bester Brennstoff für einen noch schlimmeren Ausbruch. Mehr Angst, mehr Wut. 

Was können wir tun, um den Kreislauf von Wut und schlechtem Gewissen zu durchbrechen? 

Bonbons wollen gelutscht, Gefühle wollen gefühlt werden (von Robert Betz).

Wir werden unsere Wut und unseren Frust nur los, wenn wir durch sie hindurchgehen. Nur wenn wir unsere Wut anerkennen und sie zulassen, kann sie gehen. 

Tut wir das nicht, wird sie immer wieder kommen. Geduldig und stoisch; so geduldig und stoisch wie das Verhalten unserer Tiere, das uns so frustriert und wütend macht. 

Je stärker wir unangenehme Emotionen verdrängen und verleugnen, desto stärker und überwältigender werden sie wiederkommen. 

Aber wie macht man das, durch die Wut hindurch gehen? Und wie setze ich das gerade in einer so fordernden Situation um? 

Den Stein fallen lassen.

In leichten Fällen hilft es, gedanklich den Stein fallenzulassen. Verbunden mit der Wut ist ja der Vorwurf an mein Tier: Du tust nicht, was ich will! Du denkst immer nur ans Fressen und reißt mich dabei rücksichtslos herum! Du machst diese Lektion einfach nicht, obwohl Du sie schon kannst! Ich gebe mir alle Mühe, aber Du machst einfach nicht das Richtige. Du bist Schuld und ich bin unschuldig, ich bin das Opfer. Bildlich gesprochen heben wir damit einen Stein auf und machen uns bereit, ihn zu werfen, zu verurteilen und zu strafen. Spüren wir in einer solchen Situation den Stein deutlich in unserer Hand, hart, kantig und fest, und spüren unsere Entschlossenheit und Absicht, den Stein zu werfen und zu verletzen – gelingt es uns auch fast immer, noch einmal durchzuatmen und den Stein wieder fallenzulassen. Er ist da, wir könnten ihn werfen – aber wir entscheiden uns jetzt, in dieser einen Situation dafür, ihn fallenzulassen. 

EFT Tapping

In schwierigen Fällen hilft das EFT Tapping unglaublich gut. Dabei klopft man rhythmisch ausgewählte Meridianpunkte und verbalisiert seine momentanen Emotionen. Durch das rhythmische Klopfen holt man den Körper aus dem Stressgeschehen und unterbricht seine ablaufenden Muster. Durch das Verbalisieren der eigenen Gefühle, erkennt man sie an und sie können gehen. 

So schräg es klingt, aber wiederholt man bspw. den Spruch ‚Auch wenn Du schon wieder nicht vom Hof gehen willst und mich wie einen Idioten dastehen lässt, liebe und akzeptiere ich mich.‘ oder ‚Auch wenn ich nicht verstehe, warum Du nicht weitergehst und mich das unglaublich wütend macht, liebe und akzeptiere ich mich.‘ und klopft sich dabei rhythmisch die Ursprungspunkte von Gallen-, Blasen- und Magenmeridian, ist die Wut sehr schnell verraucht. 

Schon mit wenig Übung funktioniert das Tapping auch in Notfällen, in denen man bspw. die Hände nicht frei hat, rein gedanklich. Das Wichtige ist die Konzentration auf den Spruch und auf den Rhythmus des gedanklichen Klopfens. Das Gehirn macht glücklicherweise keinen großen Unterschied zwischen einer tatsächlichen Handlung und ihrer Vorstellung. 

Vorbereitung ist alles.

Wie stelle ich jetzt aber sicher, dass ich in einer solchen stressbelasteten Situation überhaupt an den Stein oder das Tappen denke? 

Indem wir es gedanklich üben. So wie Profi-Sportler schwierige Bewegungsabläufe viele Male im Kopf durchgehen und üben, können wir uns programmieren, in Konfliktsituationen mental die Reißleine zu ziehen. Dazu stellen wir uns in einer ruhigen, sicheren Umgebung die Situation, in der es typischerweise zu Unstimmigkeit mit unserem Pferd kommt, genau vor. Wir stellen uns vor, was wir tun, wie wir uns bewegen, wie sich unser Pferd bewegt (oder nicht bewegt), was wir riechen, welche Geräusche wir hören gibt – je genauer, desto besser. Dann stellen wir uns vor, es passiert das, worüber wir uns so maßlos ärgern. Unser Pferd geht nicht weiter, frisst ständig, stellt sich nicht, konzentriert sich nicht, usw.. Wir spüren, wie wir sauer werden, uns ärgern, wie Wut und Ärger vielleicht unseren Hals eng machen, uns im Magen drücken oder uns die Luft zum Atmen nehmen. Wir spüren das ganz genau, lassen die unangenehmen Gefühle bewusst zu; passieren kann uns dabei nichts, da wir ja in einer sicheren Umgebung sind. Und dann stellen wir uns ganz genau vor, wie wir durchatmen, uns beginnen uns zu tappen, unsere Wut anerkennen und sie dann gehen lassen. Und dann  den Stein wieder niederlegen. 

Pragmatische Geister fragen jetzt ‚Ok, aber mein Pferd geht davon ja trotzdem nicht weiter/hört auf zu fressen/biegt sich.‘ Richtig, das kann passieren. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich mit der Wut oft auch das Problem auflöst oder uns in entspanntem Zustand ein neuer, kreativer Lösungsweg einfällt. Wütend und gestresst wird es das jedenfalls kaum. 

In der Liebe bleiben.

Je besser wir es schaffen, unsere Wut wahrzunehmen, desto weniger kann sie uns überwältigen. Sie ist ein Teil von uns, ob wir wollen oder nicht. Nehmen wir sie als solchen wahr, bewahren wir uns damit auch den anderen Teil, der sie betrachtet. Damit können wir einen Schritt weitergehen und uns erinnern: an die Liebe. Daran, wie wir unser Pferd das erste Mal gesehen haben und gespürt haben: ‚Du bist es. Dich möchte ich bei mir haben.‘ Wir können uns erinnern, wie sich seine Nüstern anfühlen, wenn es uns anschnüffelt, wie es uns begrüßt, wie es sich freut, wenn ihm etwas gelingt. Wenn es uns gelingt, unseren Frust und unsere Wut wahrzunehmen und sie gehen zu lassen, desto eher können wir in der Liebe bleiben. 

Unsere Tiere bleiben immer in der Liebe. Sie mögen sich wehren, wenn wir ihnen energetisch oder körperlich zu sehr an den Kragen gehen – aber sie bleiben immer in de Liebe. Sie vernichten uns nicht (was einem Pferd körperlich ein leichtes wäre) und sie sind nicht nachtragend. Sie stehen auch nach unseren schwächsten Momenten am nächsten Tag am Zaun und sagen ‚Schön, dass Du da bist, was machen wir heute?‘ Und dieses Wissen macht meine Demut vor ihnen so groß. 


Suchst Du Unterstützung, um stressige und frustrierende Situationen mit Deinem Pferd friedlich und entspannt lösen zu können? 
Bist Du Dir unsicher, ob Dein Pferd vielleicht aufgrund körperlicher Probleme nicht tun kann, was Du möchtest?
Ich helfe Dir gerne weiter. 

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